top of page
An educated horse reviews a contract.                         .jpg

Seminare

Wir vermitteln wissenschaftliche und praktische Information

Regelmässig veranstaltet Pro Pferd Seminare, Informationsabende oder Webinare mit spannenden und aktuellen Themen rund ums Pferd. Zudem bietet die Gönnerschaft von Pro Pferd die Möglichkeit, an Partner-Veranstaltungen zu vergünstigten Bedingungen teilzunehmen.

Pro Pferd Herbstseminar 2025
Von Zügelhilfen und Hilfszügeln

Am Samstag, 25. Oktober 2025 lud die Stiftung Pro Pferd zum alljährlichen Herbstseminar in die Pferdeklinik des Zürcher Tierspitals. Auf dem Programm standen hochrelevante Themen: Der Einsatz von Hilfszügeln, die Zügelkräfte und das Pferdewohl an Turnieren wurden von Fachpersonen aus der Wissenschaft und der Praxis beleuchtet. Voten aus dem interessierten Publikum und die Fragen des Geschäftsführers Patrick Zurbuchen ermöglichten zudem eine Perspektiverweiterung auf die präsentierten Gebiete.

 

Eine herausfordernde Forschungsreise
Als Erstes gab Projektleiter Dominik Burger ein Update zur laufenden Leuchtturmstudie der Stiftung, die im letztjährigen Herbstseminar im Fokus stand. Diese zeichnet sich durch den ganzheitlichen Ansatz zur Messung der Zügelkräfte aus, indem auch biomechanische Messungen des Bewegungsapparats sowie der Herzfrequenz vorgenommen werden.

Wenn Fachpersonen aus verschiedenen Disziplinen zusammentreffen, in diesem Fall Veterinärmediziner auf IT-Spezialisten, macht das ein Forschungsprojekt spannend, aber auch anspruchsvoll, erklärte der Leiter des Institut Suisse de médecine équine in Avenches. Auf der bisherigen Forschungsreise musste das Team einige Stolpersteine beiseite räumen. Eine erste Challenge bestand in der Umstellung der Messsysteme auf Wireless. Zudem wurde ersichtlich, wie viel Zeit die Synchronisierung aller Daten aus den verschiedenen Messungen in Anspruch nimmt. Dann galt es die Anwenderfreundlichkeit und Sicherheit, sprich Reissfestigkeit, zu gewährleisten.

All diese Hürden konnten genommen werden, sodass am 22. Oktober 2025, also just vor dem Herbstseminar, ein Pilotversuch mit CC-Kaderreiter Robin Godel stattfand. Der Profireiter gab ein durchwegs positives Feedback: Weder als Reiter noch für sein Nachwuchspferd sei das Messgerät spürbar oder gar störend gewesen. «Nun sind wir startklar für den richtigen Versuch mit sechs gut ausgebildeten und sechs Nachwuchspferden sowie drei Profireitern und drei weniger erfahrenen Reitern», frohlockte Dominik Burger. Die Erkenntnisse aus der mehrjährigen Studie sollen dereinst in die Reitausbildung einfliessen. Als Kontrollinstrument sieht der Projektleiter das neuentwickelte Messsystem nicht, auch wenn eine Kommerzialisierung angedacht ist.

 

Hilfszügel: Nur individuell abgestimmt und selbstkritisch eingesetzt sinnvoll
Von den Zügeln verschob sich der Fokus im zweiten Beitrag des Nachmittags auf die Hilfszügel. Patrick Rüegg, Bildungsverantwortlicher der Pferdebranche und Mitglied des Elite-CC-Kaders, ging in seiner Präsentation der Frage nach, wann diese Hilfsmittel ein Fluch und wie eingesetzt ein Segen sein können. Wichtig war ihm vorauszuschicken, dass der Einsatz von Hilfszügeln individuell auf das Pferd und die Person, die mit dem Pferd arbeitet, abgestimmt werden muss.

Nach einem Überblick der verschiedenen Varianten mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen, gab Patrick Rüegg zu bedenken, dass wenn sich ein Pferd in den Hilfszügel reinsperrt, die Wirkung konträr ist. Er selbst sprach sich gegen die Verwendung neu entwickelter Hilfszügel wie der Pessoa Longierhilfe, dem Halsverlängerer und der Longierhilfe Cotton aus und verriet, dass er im alltäglichen Training auf Ausbindezügel, Dreieckszügel und zum gezielten Einsatz auch auf Schlaufzügel zurückgreift.

«Wenn ich überlege, welchen Hilfszügel ich verwende, muss ich mir auch gut überlegen, aus welchem Material er sein soll», gab der Fachmann zu bedenken. Leichte, formstabile Ausbinder ohne Gummieinsätze sind für das Pferd angenehmer und ein passender Longiergurt mit einer Kuhlenpolsterung und variablen Einschnallringen ist das A und O, so die Haupterkenntnisse.

Patrick Rüegg zeigte auch Schwierigkeiten im Einsatz von Hilfszügeln an Filmsequenzen mit seinen Pferden auf. «Das Ziel einer biomechanisch korrekten Körperhaltung mit optimaler Anlehnung und Längsbiegung ist keineswegs einfach zu erreichen und das Überprüfen fällt oft schwer», gab der Profi selbstkritisch zu. Ausserdem betonte er, wie anspruchsvoll es ist, ein Pferd beim Longieren ganz ohne Hilfszügel über mindestens 50 Prozent der Trainingsdauer in einer korrekten Haltung laufen zu lassen.

Auch die anschliessenden Voten waren aufschlussreich. Auf den Aspekt der Sicherheit wurde eingegangen, wie auf den Umstand, dass wer einen Hilfszügel einsetzt, genau überlegen muss welches Ziel damit erreicht werden soll und wie der Erfolg überprüft werden kann. Eine Abkürzung im Ausbildungsweg bieten Hilfszügel keinesfalls, gab Patrick Rüegg den Anwesenden mit auf den Weg.

 

Mangel an biomechanischem Wissen beim Hilfszügeleinsatz

Die Stiftung Pro Pferd möchte dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Plattform bieten. Im Fall von Simona Baumann, der Bachelorstudentin im Bereich Pferdewissenschaften an der HAFL war dies eine ausgezeichnete Idee. Die junge Frau hatte eine spannende Studie zum Einsatz von Hilfszügeln in der Schweiz im Gepäck.

Ihre Onlineumfrage verzeichnete mit 1022 Antworten einen grossen Rücklauf. Die Auswertung ergab, dass rund 44 Prozent der Befragten regelmässig Hilfszügel nutzen. Am häufigsten kommen der Dreieckszügel, das Martingal, der Ausbindezügel und der Schlaufzügel zum Einsatz und dies in überwiegendem Masse von Englischreitern. Als Gründe für den Einsatz von Hilfszügeln wurde beispielsweise mehr Kontrolle übers Pferd, zum Longieren, zur Korrektur schwieriger Pferde oder um Fehler zu kaschieren genannt.

Ernüchternd war der Umstand, dass der Grossteil der Befragten über unzureichendes Wissen zur Biomechanik des Pferdes verfügte. Zudem gaben fast 60 Prozent der Studienteilnehmenden an, zur Überprüfung der Wirkung der eingesetzten Hilfszügel auf das eigene Gefühl, anstatt auf eine profunde Überprüfung beispielsweise durch biomechanisch ausgebildete Fachpersonen oder Videoanalysen zu setzen. Als Fazit appellierte Simona Baumann, dass die Biomechanik des Pferdes zukünftig in der Ausbildung eine grössere Rolle spielen muss.

 

Pferdewohl am CHIO Aachen

Das Pferdewohl rückte in der letzten Präsentation in einem Kontext in den Fokus, der nichts mit Zügeln oder Hilfszügeln zu tun hat. Die Wissenschaftlerin vom Schweizer Nationalgestüt Agroscope Miriam Baumgartner präsentierte ihr Projekt zur Überprüfung von Pferdewohlparametern an Turnieren. «Im Pferdesport muss sich einiges ändern, aktuell mangelt es an Transparenz und an wissenschaftlichen Daten zum Wohlergehen der Pferde bei Wettkämpfen», stellt Miriam Baumgartner fest. Mit dem Forschungsprojekt am weltweit bekannten CHIO Aachen (D) soll ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan werden.

Dabei wird die Haltung der Pferde überprüft. In einem multidimensionalen Ansatz werden sowohl im Heimatstall als auch im Turnierstall Kotproben untersucht, die Herzfrequenz, die Mimik, das Zeitbudget von Verhaltensweisen wie Fressen oder Liegen, sowie Umgebungsfaktoren.

Die Wissenschaftlerin erzählte vom Aufwand und den Tücken, die bei einem solchen Monitoring von Elitesportpferden in Zusammenarbeit mit Profireitern auftauchen. Zudem gab sie einen Einblick in die Ergebnisse der Pilotstudie von 2023, bei der die Datenbasis mit nur vier untersuchten Pferden zu gering ist, um allgemeine Aussagen zu treffen. Ersichtlich wurde, dass die Liegedauer, die Dauer der Raufutteraufnahme und des Bewegens in Aachen geringer als im Heimatstall ist. Bis zum Abschluss der Studie 2027 sollen die Parameter von mindestens 30 Turnierpferden erhoben werden und eine Ausweitung auf die Erhebung der Pferdewohlparameter im sportlichen Einsatz ist angedacht.

 

Für die künftigen Herbstseminare der Stiftung Pro Pferd werden die spannenden Themen so bald also nicht ausgehen.​

​

Text: Muriel Willi​

hs-2024-pubikum.jpg
bottom of page