Innovative Haltungsformen liegen im Trend. In Aktivställen werden Pferde mit verschiedenen Funktionsflächen zu stetiger Bewegung motiviert. Das fördert das Wohlergehen, doch die dazu erforderlichen Bauten stehen oft im Widerspruch zum Kulturlandschutz und der Raumplanung. Pro Pferd unterstützt deshalb die Forschung nach praxistauglichen Lösungen und engagiert sich beim Label «Der gute Stall», das alljährlich vorbildliche Pferdehaltung auszeichnet.
Der Bewegungs- und Verdauungsapparat von Pferden ist auf kontinuierliche Fortbewegung und Nahrungsaufnahme ausgerichtet. Denn unter ursprünglichen und natürlichen Bedingungen laufen Pferde im Herdenverband über 15 Stunden und mehr als 10 Kilometer pro Tag. Heutige Haltungsformen verunmöglichen dies, speziell auch in der Schweiz. Angesichts unserer Siedlungsdichte fehlen schlicht die Flächen, auf denen sich Pferde stundenlang fortbewegen und ernähren können. Deshalb braucht es innovative Ideen, um ihnen trotzdem möglichst naturnahe Gegebenheiten zu bieten. Ein Ansatz dazu sind sogenannte Aktivställe oder Paddock-Trails. Diese strukturieren den zur Verfügung stehenden Platz und teilen ihn in verschiedene Funktionsflächen wie Fütterungsstellen und Tränken auf. Vor allem bei ganzjähriger Nutzung müssen die Flächen aber befestigt sein, weil sonst der Boden zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wird. Allein, eine herkömmliche dauerhafte Befestigung auf Fruchtfolgeflächen steht dem Interesse des Kulturlandschutzes entgegen und ist gemäss Schweizer Gesetzgebung auch nicht zonenkonform.
DOKTORARBEIT MIT INTERESSANTER FRAGESTELLUNG
Eine Doktorarbeit, die von der Stiftung Pro Pferd und der Sandgrueb-Stiftung unterstützt wird, geht nun einer interessanten Fragestellung nach: Wie kann der Boden von Paddock-Trails und vergleichbaren Systemen auf naturnahe Weise befestigt werden, sodass sowohl die Anforderungen des Bodenschutzes als auch des Tierwohls erfüllt werden? Und wie ist eine allfällige spätere landwirtschaftliche Nutzung als Fruchtfolgefläche wieder möglich? Bezüglich der bodenkundlichen Thematik liegt die wissenschaftliche Begleitung der Arbeit bei Rainer Schulin (ETH Zürich), bezüglich der haltungsspezifischen und für das Tierwohl relevanten Aspekte bei Iris Bachmann (Agroscope Avenches). Sie wollen Antworten mittels einer Modellanlage finden, in der mehrere mögliche Befestigungsarten (Ecoraster, Sand, Kies oder neu zu entwickelnde Bodenbefestigungen) geprüft werden. Bis erste Resultate vorliegen, braucht es freilich noch etwas Geduld. Vladimir Milojevic, in der Sandgrueb Leiter Forschungsverbund, sagt: «Derzeit suchen wir für das Projekt einen Doktoranden. Interessierte können uns gerne kontaktieren.»
Fragen zu Haltungsformen von Pferden sind jedoch nichts Neues. Schon 1929 forderte der Dresdener Verein «Pferdewohl» im Merkblatt «Des Pferdes Bitte»: Pferde sollen sich im Stall frei bewegen können. Dass Pferde zumindest im Stall nicht mehr angebunden werden dürfen, schreibt bei uns die Tierschutzverordnung seit gut zehn Jahren vor. Nicht angebunden zu sein und ausreichend Bewegung auf strukturierten Funktionsflächen sind allerdings nur zwei Aspekte eines guten Pferdestalls. Lang ist deshalb der Kriterienkatalog, der zum begehrten Label «Der gute Stall» führt. Ideell unterstützt von Pro Pferd, wurde dieses in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Tierschutz STS heuer bereits zum vierten Mal vergeben. Das in Form eines schweizweiten Stallwettbewerbs, der alle Aspekte einer Stallanlage überprüft. 13 Pferdebetriebe haben diesmal die Auszeichnung mehr als verdient.
FUNDIERTES WISSEN ERSETZT HOHE KOSTEN
Ob Pensionsstall, Altersweide oder Zuchtstätte: An jedem einzelnen Ort drückt sich das Engagement der Stallbetreiber aus, den Pferden eine höchstmögliche Qualität an sozialem und gesundheitlichem Wohlbefinden zu bieten. Denn zur Fünfsterne-Unterkunft wird ein Stall erst, wenn die Stallbetreiberinnen und -betreiber sich Gedanken machen, mit welchen Verbesserungen für mehr Komfort gesorgt werden kann. Das geht weit über die gesetzlich vorgegebenen Mindestanforderungen hinaus. Kostspielige bauliche Massnahmen sind dazu nicht einmal unbedingt notwendig, vielmehr gefragt ist fundiertes Wissen über die Bedürfnisse unserer Equiden. Nur schon eine Heuraufe aus Baumstämmen, ein Sandplatz zum Wälzen und Scharren oder eine Pferdetoilette aus Hackschnitzeln können zum Label «Der gute Stall» beitragen. Denn beispielhafte Haltungsformen und innovative Detaillösungen für die verschiedenen Stallsysteme sollen durch den Stallwettbewerb bekannt gemacht werden. Das spornt zur laufenden Verbesserung der Pferdehaltung an.
Heute gehört bei der Boxenhaltung das Angebot eines Paddocks zum Standard einer modernen Haltungsform. Und bei der Gruppenhaltung erlebt der Ausbau zu Aktivställen eine immer stärkere Verbreitung. Ungebrochen ist zudem der Trend der letzten Jahre, Pferde nicht nur sicher und gesund unterzubringen, sondern ihnen auch mehr Anreize zu vermitteln. Für viele Besitzer und Besitzerinnen wird es immer wichtiger, dass bei ihren Pferden nicht nur während ihrer Anwesenheit für Aktivitäten gesorgt ist. Weide und 16 Stunden Fresszeit sind die Hauptkriterien, nach denen ein Stall ausgewählt würde, ist landauf, landab immer wieder zu hören. Aktivställe werden deshalb zusehends beliebter. In diesen müssen die Pferde und Ponys ihr Futter wie in der Natur Schritt für Schritt suchen. Eine individuelle Fütterung von Schmalhans und Dickerchen in der Gruppe ist und bleibt dabei eine zentrale Herausforderung. Wo genügend Platz wie z. B. auf dem Bipperhof vorhanden ist, teilt Daniel von Ins deshalb die leicht- und schwerfutterigen Pensionäre in getrennte Gruppen auf.
OPTIMALES KLIMA STATT DICKER LUFT
Ausreichend Bewegung, Sozialkontakt und über den Tag portionierte Fütterung sind Punkte, über die wohl am meisten gesprochen und geschrieben wird. Einer eingehenden Betrachtung unterzogen wird bei der Begutachtung für den Wettbewerb in allen Ställen aber auch die Luft, das Licht, die baulichen Gegebenheiten, die Hygiene. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen seit Längerem, dass der Stallluft besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist. Schmutzpartikel und Mikroorganismen wie Schimmelpilze gelten als Risikofaktoren für die Entstehung von Atemwegserkrankungen. Der «Brennpunkt Pferd 2021» der Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften im Nationalen Pferdesportzentrum Bern widmet sich dem Thema. Und um die Staubentwicklung im eigenen Stall zu reduzieren, haben Anita und Franz von Holzen auf dem Hof Windleten in Ennetmoos sogar einen selber entwickelten Wasservernebler aufgehängt. Eine der vielen guten und erfolgreichen Ideen, die letztlich zum Label «Der gute Stall» führen. Mit pferdeaffinen Stallbauten werden die Voraussetzungen für ein möglichst artgerechtes Stallleben geschaffen, am wichtigsten bleibt aber immer noch der täglich mehrfach stattfindende Kontakt zwischen Mensch und Pferd. Das Stallpersonal hilft durch sein Verhalten während der Stallarbeiten mit, bei den Pferden Vertrauen aufzubauen – die Grundlage für eine sichere Partnerschaft. Messbar ist das nicht, sichtbar aber sehr wohl. Wie etwa in jenem irischen Rennpferdestall, in dem der Trainer bewusst ausschliesslich gemächlich arbeitende Pfleger einstellt, um seine Pferde durch hektisches Treiben nicht in Unruhe zu bringen.
Aus den Betrieben, die sich für den Stallwettbewerb 2020 angemeldet haben, sind nach Vorprüfung und sorgfältiger Bewertung vor Ort letztlich 13 Ställe in vier Kategorien ausgezeichnet worden. Die Plakette «Der gute Stall» ist Ausdruck davon und zeigt, dass sich hier die Pferde nicht nur (sorgen-) frei bewegen, sondern auch wohlfühlen können.
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